Pläne und ich
Corona begleitet uns nun schon länger als viele letztes Jahr angenommen hatten. Es fällt einigen schwer, aktuell Pläne für die nächsten Wochen oder Monate zu machen. Soll man Urlaub buchen? Im Ausland oder besser im Inland? Oder doch besser auf Last-Minute-Angebote setzen? Soll man seinen Geburtstag feiern? Wenn ja, mit wem, wo und wie? Können überhaupt Feiern wieder stattfinden? Geburtstag, Hochzeit, Taufe, Kommunion, Konfirmation, Firmung, etc.? Was ist mit Beerdigungen? Nur 5 Personen, vielleicht 10 Personen oder doch mehr?
Vielleicht fragen Sie sich, auf was ich eigentlich hinaus möchte. Dazu möchte ich Sie kurz in meine Vergangenheit mitnehmen. Dass mein Gentest auf Huntington positiv ist, habe ich im Dezember 2014 erfahren. Natürlich hat mich diese Information am Anfang sehr beschäftigt. Und natürlich habe ich mir auch über die Zukunft Gedanken gemacht. Ich hatte damals, im Alter von 34 Jahren, gewisse Pläne für mein Leben. Durch das positive Testergebnis musste ich mich zuerst wieder sortieren und neu ausrichten. In dieser Zeit habe ich ebenfalls einige Gespräche mit anderen über die Krankheit und meine Zukunft geführt. Ein Mediziner sagte zu mir: “Wie ist das so, wenn man auf der Rolltreppe nach oben ist und weiß, was einen am Ende der Rolltreppe erwartet?“ Dieser Mediziner meinte auch, ich müsste meinen Gendefekt von meiner Mutter geerbt haben. Schließlich bekommen diese Krankheit nur Frauen!
Zum Glück war ich damals schon so aufgeklärt, dass ich einfach nur geschockt war über die Aussage dieses Mediziners. Weshalb sollte ich wissen, was mich am Ende der Rolltreppe erwartet? Keiner von uns weiß, wie lange seine “Rolltreppe“ ist oder was genau am Ende dieser “Rolltreppe“ auf ihn wartet. Natürlich werden wir alle irgendwann sterben. Aber wie bzw. an was genau? Geschweige denn wann? Wer kann das wirklich wissen? Also kann ich doch bis zum Ende meiner Rolltreppe versuchen, die Dinge zu machen, die mir gut tun und die aktuell möglich sind.
Also habe ich mir Gedanken gemacht, was ich gerne in meinem Leben machen möchte. Was mein neues Leben mit dem Wissen des positiven Gentests beinhalten sollte? Ich habe gerade deshalb viele Pläne und Ziele in meinem Leben. Solche Pläne und Ziele geben den Menschen nämlich auch Hoffnung, dass der nächste Tag, die nächste Woche oder der nächste Monat etwas Tolles für uns bereithält.
Unabhängig davon, ob wir uns in einer Pandemie befinden oder ob Huntington mich irgendwann durch bestimmte Symptome einschränken wird, mache ich solche Pläne. Natürlich ist/war die Corona-Pandemie keine einfache Zeit für viele Menschen. Welche Zeit genau ist denn schon einfach? Hat nicht jeder sein Päckchen zu tragen? Die Frage ist schließlich, was macht man mit den Gegebenheiten, und kann man sich darauf einlassen? Die Einstellung von vielen Senioren während der Coronazeit hat mir gut gefallen. “Wir haben schon den 2. Weltkrieg erlebt, dann überlebe ich jetzt auch noch diese Zeit!“ Ist diese Einstellung nicht bewundernswert? Gerade von dieser Generation, den sogenannten Risikopersonen!
Nein, ich verharmlose weder die Pandemie, die Krankheit, die Symptome oder die damit verbundenen Auswirkungen. Krankheiten sind immer schlimm. Trotzdem kann man Pläne machen. Wenn die Sonne mal wieder scheint, und ich Zeit habe, mache ich einen langen Spaziergang. Wenn die Pandemie durchgestanden ist, treffe ich mich wieder mit meinen Freunden, der Familie und feiere das Leben. Wenn die Museen wieder geöffnet sind, schaue ich mir die neusten Ausstellungen an. Und wie sind Ihre Pläne für die Zeit nach der Pandemie oder bis zum Ende Ihrer Rolltreppe?
Ihre Doris
Januar 2021